der Du heute früh bei dm neben mir an der Kasse gestanden und Deine Einkäufe verpackt hast. Dein Kind saß im Kinderwagen, meins daheim bei seinem Papa. Beide waren wir schon früh unterwegs, wie so viele Eltern, beide trugen wir eine gewisse Müdigkeit in den Augenfalten. Wir kennen uns nicht. Aber Du hättest mir fast den Tag versaut.
Als wir so einträchtig nebeneinander unseren Kram verstauen, komme ich nicht umhin, einen neugierigen Blick auf Deine Einkäufe zu werfen. Das ist wie Nasepopeln – jeder macht es, keiner gibt es zu. Einen nette Auswahl hast Du da, hätte theoretisch auch meine sein können: Die tolle, aber arschteure Babylotion mit weißer Malve von Weleda, Stilleinlagen für Deine Frau, Bio-Fencheltee, Bio-Stilltee, Ecover Vollwaschmittel, einen Alana-Body aus Wolle/Seide. Schicke Sache. Kudos, Mann.
Von meinem Kassenband rutscht heute eine Auswahl, die dem gutbügerlich-alternativen Elter die Brauen hochzieht: Drei Gläschen HiPP Spaghetti Bolognese, weil das die einzige Fertigkost ist, die das Kiddo zuweilen als Notfall-Lunch akzeptiert, während ich Tiefkühlpizza esse. Solche Tage gibt es bei uns. Nicht oft, aber es gibt sie. Vielleicht kennst Du das ja. Hirsekringel für die Spielgruppe liegen außerdem auf dem Band, weil die anderen Kinder die auch essen, und weil das Kiddo die sonst skrupellos beklaut. Diese Obst-Quetschtütchen für unterwegs, weil das Kiddo mit denen einigermaßen sauber snacken kann. Ich gebe zu, ich bin nicht so die Wechselklamotten-Mom mit australiengroßer Wickeltasche. Liegt daran, dass ich das Kiddo meist in der Trage dabei habe und nicht noch mehr Ladung schaffe. Last but not least, zwei Früchteriegel Apfel-Banane für unsere seltenen, aber inbrünstig gehassten Autofahrten. Ja, als Bestechung. Ja, sowas mache ich.
Als ich hochschaue, ertappe ich Dich dabei, wie Du meinen Einkauf genauso neugierig inspizierst wie ich Deinen. Ich muss grinsen und nicke Dir zu. Du lächelst ein Lächeln, das Deine Augen verfehlt und sagst mit diesem komisch verzogenen Gesicht den Satz, der mir voll in mein müdes Gesicht klatscht: „Aber Du weißt schon, dass Selberkochen nicht soooo viel Arbeit macht, oder?“
BÄM. Mein Mund schaltet kurzerhand auf Autopilot und entscheidet sich für Deeskalation und guten Willen: „Ach weißt Du, wir waren über die Feiertage so viel auf Reisen. Da haben wir unser ganzes Unterwegs-Zeug aufgebraucht. Das musste ich jetzt mal nachkaufen. Auf Vorrat quasi.“ Ich schaue Dir ins Gesicht und erblicke: absolute Verständnislosigkeit. Eine Spur Herablassung. Vielleicht ist es auch mehr als eine Spur.
Ich sag Dir ehrlich – wäre ich nicht ganz so erschöpft gewesen, ich hätte es dabei belassen. Hätte ich nicht vier kranke Wochen, 1.800 Kilometer auf der Autobahn und enorm anstrengende Feiertage hinter mir, ich hätte nichts gesagt. So allerdings gewinnt meine Selbstachtung:
„Aber eigentlich geht Dich das einen Scheißdreck an.“
Ich lasse Dich stehen. Und fühle mich besser.